Die Brennerbande, Teil 90


Tiscio fand sich auf dem nächsten Botengang wieder. Er sollte den Bertis bescheid sagen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass der erste Metrowächter auf seiner Streife bereits den Körper vor Nummer 16 gefunden hatte. Tiscio brauchte ihm daher nur zu überreißen, dass mindestens die ganze Straße betroffen war. Nach der ersten Verwunderung nahm der Berti seine Pfeife und ließ ihren lauten Ruf lange und mehrfach erschallen.
Wenig später erschienen bereits die ersten Metrowächter am Eingang der Straße und sobald auch sie das Ausmaß begriffen hatten, rannte einer der ihren zur nächsten Wacht, um weitere Männer und auch Ärzte in die Straße zu holen.
Unterdessen hatte der erste Berti mit der Unterstützung von Tiscio und Gunnar an die Türen geklopft und diejenigen markiert, bei denen ihnen niemand geöffnet hatte. Diese würde man später aufbrechen müssen, um sicher zu gehen, dass sie dort niemand verweste. An einigen Türen machten ihnen blasse Gestalten auf, an zweien weinende Menschen, die ihnen erzählten, wie der Tod Einzug in ihr Haus gehalten hatte. Gunnar begann schließlich zu weinen, während Tiscio später feststellen musste, dass seine Fingernägel die Haut seiner Handballen verletzt hatten.
Als schließlich die zweite Welle Verstärkung eintraf schickte der Berti die beiden nach Hause. Zu Tiscio Überraschung bedankte er sich für ihre Hilfe. Auch dass sie so gut aufgepasst hatten, lobte er. Erschöpft kehrten sie zu 23a zurück, wo sie die Tür erneut offen vorfanden. Diesmal waren sie jedoch nicht schuld daran, sondern ein Berti, der auf den schwankenden Soldrang einredete.
"... vermutlich erst in einer Stunde. Bitte lassen sie die Leiche noch so lange unberührt."
"Sehr wohl Herr Wachtmeister."
"Darüber hinaus ist es von größter Wichtigkeit, dass alle Anwohner der Konditorgasse und Umgebung abstand davon nehmen, das Wasser oder irgendwelche anderen Lebensmittel zu sich zu nehmen, bis wir Entwarnung geben. Einige meiner Kollegen untersuchen noch die Ursache dieser Vergiftungen."
"Ich werde es allen Personen im Haus mitteilen."
"Wie viele Tote gab es?" Gunnar war bleich, aber die Neugier hatte ihn nicht verlassen. Der Berti drehte sich zu ihm um und betrachtete die beiden abschätzend. Schließlich schien er aber die jungen Helfer seines Kollegen in ihnen zu wiederzuerkennen.
"Wir wissen es noch nicht genau. Aber wohl nicht so viele wie bei den ersten Anschlägen. Aber Entschuldigen sie mich bitte, ich muss noch an einigen Türen klopfen, um mit den Bewohnern zu sprechen." Er wandte sich noch einmal zu Soldrang, um sich mit dem etwas lässigeren militärischen Gruß der Metrowacht von ihm zu verabschieden. Den Jungs nickte er kurz zu, während er die Treppe hinunter ging.
Der Buttler wartete an der Tür, bis Gunnar und Tiscio das Haus betreten hatten, um hinter ihnen die Tür zu schließen. "Sie sollten sich hinlegen, Herr Soldrang."
"Das ist sehr freundlich gemeint, Herr van der Linden, aber dann könnte ich meinen Pflichten nicht nachgehen."
"Wir öffnen auch die Tür, wenn jemand kommt."
Der Buttler überlegte eine Weile. "Vielleicht sollte ich mich tatsächlich für einen kurzen Moment zurückziehen." Er deutete eine Verbeugung an und ging zu seiner Kammer.
Die beiden Feldstraßler blickten die Treppe zur Küche hinab. Deera lag immer noch dort. Das brachte sie in eine gewisse Verlegenheit, denn sie wussten nicht, wo sie sich hinsetzen sollten. Oben, in ihren Zimmern, lagen alle krank herum. Es stank nach Erbrochenem und es stand zu befürchten, dass Walde wieder irgendetwas erzählen würde.
Tiscio setzte sich auf die letzte Stufe vor Unterschnitts Zimmer. Gunnar folgte seinem Beispiel.
"Wieso hast'e das getan?"
"Was?"
"Soldrang das anbieten?"
"Wieso nicht? Es ging ihm schlecht."
"Wir müssen bald los. Mit meiner Mutter. Hast'e das vergessen."
"Grabengrütze!" Gunnars gebrauch eines Schimpfwortes ließ Tiscio immer noch zusammenzucken, entlockte für gewöhnlich aber auch ein Grinsen. Das Grinsen blieb jedoch dieses Mal aus, zu viel war heute geschehen. "Wie sollen wir sie dahin bekommen."
"Weiss nich'." Einem Moment lang schwiegen sie sich an, dann sagte Gunnar. "All die Anschläge, und jetzt hat es uns auch erwischt." Tiscio nickte.
"Hab'n großes Glück gehabt."
"Deera nicht." Erneut bewegte sich Tiscios Kopf.
"Was machen wir jetzt?"
"Kannst'e rausfinden, wo das Gift herkam?"
"Ich denke, es war im Wasser."
"Wieso?"
"Die Leute haben doch bestimmt alle was anderes gegessen."
"Hast wohl Recht." Erneut schwiegen sie, diesmal noch länger.
"Wenn ich ne Ratte fangen würde, könnten wir's austesten."
"Du willst eine Ratte ermorden?"
"Kommt doch auf eine nich' an."
Gunnar blickte in Richtung der Gästezimmer, anschließend zum Haupteingang. "Ich hole das Wasser."
Wenig später vergifteten die beiden an der Hintertür eine Ratte.

Die Kinder aus der Feldstrasse, 04